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Hyperpersonalisierung
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Hyperpersonalisierung – das nächste Level einer gezielten Kundenansprache?

Inhaltsverzeichnis

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In Zeiten der voranschreitenden digitalen Transformation der Wirtschaft und einer steigenden Wettbewerbsintensität für nahezu alle Branchen rückt eine individuell abgestimmte Kundenkommunikation immer stärker in den Fokus eines erfolgversprechenden Customer Relationship Managements. Den Kunden in den Mittelpunkt aller Unternehmensaktivitäten zu stellen, ist dabei nichts Neues. Vielmehr ist der Aspekt der „Kundenorientierung“ schon in den meisten Unternehmensphilosophien fest verankert.

Doch was bedeutet Kundenorientierung im Hinblick auf die Gestaltung einer gezielten und angepassten Kommunikationspolitik konkret? Schon seit einigen Jahren hat sich in der Praxis durchgesetzt, noch stärker an den Bedürfnissen der Kunden zu orientieren sowie passgenaue Botschaften und Empfehlungen zu gestalten. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich der Ansatz der „Personalisierung“ mittlerweile fest in Marketingmaßnahmen und der damit verbundenen Kundenkommunikation etabliert hat. Personalisierung findet sich so z. B. in einer namentlichen Ansprache des Kunden wieder (u. a. in E-Mail-Newslettern und Push-Nachrichten) und Unternehmen sind verstärkt darauf bedacht, Bezug zu den Kaufgewohnheiten ihrer Kunden zu nehmen. Dieses Vorgehen klingt zunächst einmal sehr sinnvoll und zielführend. Allerdings sind sich Praxis und Wissenschaft mittlerweile einig darüber, dass eine solche Personalisierung oftmals noch nicht ausreichend ist und zudem in vielen Fällen noch gar nicht richtig umgesetzt wird. Es lässt sich vielmehr beobachten, dass in vielen Unternehmen zwar genügend Kundendaten vorliegen, diese aber nicht wirklich effektiv genutzt werden. Sogenannte „Datensilos“ (eine verteilte Speicherung von Daten im Unternehmen, ohne dass diese miteinander verknüpft werden) erschweren eine zielgerichtete Umsetzung genauso wie ein fehlendes Bewusstsein für den richtigen Umgang mit Technologien. Durch die voranschreitende Digitalisierung und die damit verbundenen technologischen Entwicklungen, wie Künstliche Intelligenz, KI, bieten sich für Unternehmen jedoch viele Potenziale, die oftmals ungenutzt bleiben. Ein solches Potenzial liegt z. B. in der sogenannten „Hyperpersonalisierung“, die sich als aktuell stärkste Weiterentwicklungsstufe der Personalisierung versteht. Jener Ansatz ist durch eine echtzeitgetriebene und kontextrelevante Nutzung von Browsing- und Verhaltensdaten zur Gestaltung einer individuellen Kundenkommunikation gekennzeichnet. Im Fokus stehen dabei die Nutzung großer Datenmengen („Big Data“) und der zielgerichtete Einsatz von KI, um eine hochgradige Personalisierung umzusetzen. Oberstes Ziel ist und bleibt es, die Relevanz von Marketingbotschaften weiter zu steigern und vor allem noch stärker auf den Kontext des Einzelnen abzustimmen. Hierdurch zeigt sich die Chance, das individuelle Kundenerlebnis deutlich zu optimieren und den Nutzen von Kommunikationsbotschaften für den einzelnen Kunden zu maximieren.

Hyperpersonalisierung als Entscheidungshilfe für den Kunden

Die Entwicklungsstufen der Kundenkommunikation hin zur Hyperpersonalisierung (Eigene Darstellung)

Hyperpersonalisierung setzt aus der Kundenperspektive dazu am klassischen Kaufentscheidungsprozess an und hat die Absicht, vor allem die Phasen der Informationssuche und Bewertung von Alternativen zu vereinfachen. In Zeiten der heutigen „Always-On“-Mentalität sieht sich jeder Online-Nutzer tagtäglich mit einer riesigen Informationsmenge konfrontiert. Um dies zu verdeutlichen, genügt ein grober Überblick über die Datenmengen, die im Jahr 2021 durchschnittlich in 60 Sekunden online generiert wurden: rund 197,6 Millionen E-Mails wurden verschickt, 500 Stunden Video-Content wurden auf YouTube veröffentlicht, 695.000 Stories wurden auf Instagram geteilt und es wurden knapp 1,6 Milliarden US-Dollar Umsatz generiert – pro Minute (siehe hier: https://www.weforum.org/agenda/2021/08/one-minute-internet-web-social-media-technology-online/). Bei dieser Menge an Informationen ist es nicht wirklich verwunderlich, dass Nutzer und damit auch (potenzielle) Kunden schnell überfordert sein können, was für sie nun wirklich relevant ist. Für diese Überforderung hat sich der Begriff des „Information Overload“ durchgesetzt, der in den kognitiven Kapazitäten des menschlichen Gehirns begründet liegt. Das menschliche Gehirn besitzt – ähnlich wie ein Computer – nur eine begrenzte Verarbeitungskapazität. Dies bedeutet, dass nicht alle Informationen, mit denen ein Individuum konfrontiert wird, auch wirklich aufgenommen und verarbeitet werden können. Ist die Kapazitätsgrenze erreicht, stellt sich relativ zeitnah ein Gefühl der Überforderung ein, was für den Einzelnen in einer Stressreaktion münden kann. Dieses negative Empfinden erschwert gleichzeitig die Entscheidungsfindung in einem Kaufprozess, sodass nicht selten auch Resignation eintritt. Aus der Unternehmensperspektive entsteht gleichzeitig ein „Kampf“ um die Aufmerksamkeit des (potenziellen) Kunden. Die menschliche Aufmerksamkeitsspanne ist dabei heute mit etwa 8 Sekunden sehr kurz und mit der von einem Goldfisch vergleichbar. Für die Praxis ist es also daher entscheidend und eine zentrale Herausforderung, den richtigen Moment der Ansprache für den einzelnen Kunden zu identifizieren und zeitnah eine Botschaft zu liefern, die für das Individuum eine Bedeutung hat. Jene Momente werden zu „Momenten der Wahrheit“ (engl. „Moments of Truth“). Um diesen Prozess noch auf die Spitze zu treiben, sollte das Unternehmen die Bedürfnisse des Kunden bereits antizipieren, bevor diese überhaupt artikuliert werden. Eine proaktive Ansprache baut dazu beispielsweise auf einem kontinuierlichen Lernprozess durch die Nutzung von KI (speziell maschinellem Lernen) auf und bildet somit den Einstieg in ein Kundenerlebnis, welches für den Kunden langfristig im Gedächtnis bleiben soll.

Erste Ansätze zur Nutzung von Hyperpersonalisierung in der Praxis

Bisher bemühen sich bereits einige Unternehmen, ihre Personalisierungsansätze in Richtung einer Hyperpersonalisierung voranzutreiben und dadurch z. B. den beschriebenen Information Overload zu minimieren. Es bleibt jedoch auch festzuhalten, dass noch nicht alle Potenziale vollständig ausgereizt werden. Ein Vorreiter im E-Commerce-Kontext ist und bleibt sicherlich „Amazon“. Das Unternehmen setzt schon seit Jahren auf ein eigens entwickeltes Empfehlungssystem, welches auf den Datenauswertungen von Klick- und Kaufverhalten der Kunden basiert. Jedoch bleiben auch hier weitere Optimierungspotenziale (z. B. in Richtung Steigerung der individuellen Relevanz). Streaminganbieter wie Netflix und Spotify setzen in ihrer Nutzeransprache z. B. auf individuell zugeschnittene Playlists oder Teaserbilder, wobei auch hier der Echtzeitfaktor und kontextuelle Aspekte zukünftig noch stärker einbezogen werden sollen. Das auf Kaffeeprodukte spezialisierte US-Unternehmen „Starbucks“ bietet über seine App immerhin schon eine standortabhängige Kundenansprache über Push-Nachrichten an und verweist z. B. direkt auf Filialen in der Nähe, in der eine über die App bestellte Kaffeespezialität abgeholt werden kann. Verbunden wird dies mit individuellen Produktempfehlungen.

Acht Faktoren für eine erfolgreiche Umsetzung einer hyperpersonalisierten Kundenkommunikation

Um den Ansatz der Hyperpersonalisierung jedoch insgesamt noch etwas greifbarer zu machen, lohnt sich ein Blick auf die essenziellen Erfolgsfaktoren einer zielgerichteten Umsetzung. Dazu ist zunächst noch einmal festzuhalten, dass sich die Hyperpersonalisierung als aktuell stärkste Form des „Segment-of-One“-Ansatzes der individuellen Kundenansprache versteht und auf dabei auf die tiefgehendsten Kundeneinsichten (engl. „Customer Insights“) setzt, um einen hohen Grad der Kundenorientierung zu erreichen. Die Entwicklung in Richtung eines datengetriebenen Echtzeitmarketings sollte sich daher an folgenden Faktoren orientieren:

Erfolgsfaktoren einer hyperpersonalisierten Kundenkommunikation im Überblick (Eigene Darstellung)
  • 1. Kontextsensitivität: Dieser Aspekt beschreibt die Abstimmung der einzelnen Kommunikations- bzw. Marketingbotschaften auf den Kontext des jeweiligen Kunden. Dazu sollten u. a. situative Faktoren (wie die aktuelle Jahreszeit) genauso einbezogen werden wie gerade stattgefundene Life Events (z. B. ein Umzug oder eine Hochzeit). Durch die Kontextsensitivität ergibt sich schlussendlich eine bessere Bedürfnisorientierung der jeweiligen Kommunikationsmaßnahmen.
  • 2. Relevanz: Verbunden mit dem aktuellen Kontext des einzelnen Kunden soll gleichzeitig ein individueller Nutzen bzw. Mehrwert gestiftet werden. Dies kann z. B. eine Effizienzsteigerung, eine Bedürfnisbefriedigung oder eine Kostenersparnis sein. Ziel ist es, das Kundenerlebnis kurz- und vor allem langfristig bedeutsam zu gestalten.
  • 3. Timing: Neben dem Kommunikationsinhalt spielt auch der Zeitpunkt der Ansprache eine entscheidende Rolle. Jeder Kunde hat eine individuelle Aufmerksamkeitsspanne. Für Unternehmen ist es nun die Herausforderung, den Kunden möglichst dann anzusprechen, wenn das persönliche Interesse am höchsten ist, z. B. zu einer bestimmten Tages- oder Uhrzeit. Dies begünstigt die Entwicklung hin zu einer möglichst echtzeitgetriebenen Kommunikation.
  • 4. Proaktivität: Wie zuvor bereits beschrieben, sollten Bedürfnisse im besten Falle antizipiert und daher eine vorausschauende Kommunikation gelebt werden. Der „Predictive Analytics“-Ansatz bietet dabei die Möglichkeit, durch den Einsatz von KI bestimmte Verhaltensmuster zu erkennen und dadurch eine Vorhersage über zukünftiges Verhalten zu tätigen.
  • 5. Automatisierung: Um Hyperpersonalisierung erfolgversprechend umzusetzen zu können, müssen Prozesse effizient gestaltet und die Effektivität von Entscheidungen optimiert werden. Durch Automatisierung sollte ein kontinuierlicher Lernprozess auf Basis von existierenden Daten angestoßen werden, bei dem z. B. bestimmte Verhaltensmuster als Trigger für Kommunikationsmaßnahmen wirken. Hier ist aus Unternehmenssicht die richtige Softwareunterstützung entscheidend.
  • 6. Omni-Channel: Kunden nutzen heute eine Vielzahl von Kanälen, um mit Unternehmen in Kontakt zu treten. Demnach sollte bei der Anwendung der Hyperpersonalisierung ein problemloses Wechseln zwischen Kanälen ermöglicht werden – sowohl offline als auch online. Dadurch ergibt sich eine „Seamless Customer Experience“.
  • 7. Frequenz: Die Kommunikationswirkung ist zudem abhängig von der Anzahl der Wiederholungen, um „im Kopf“ des Kunden zu bleiben. Daher sollten die entsprechenden Botschaften in einem individuell abgestimmten Rhythmus ausgespielt werden, der nicht aufdringlich oder störend wirkt. Dieser Aspekt steht zudem in direkter Verbindung zur beschriebenen Proaktivität.
  • 8. Geschwindigkeit: Im Sinne eines „Real-Time Marketing“ erlaubt eine hyperpersonalisierte Ansprache keinen zeitlichen Verzug. Die Geschwindigkeit bei der Umsetzung ist essenziell. Daher müssen folgende Fragen beantwortet werden: Wie schnell können die verfügbaren Daten erfasst und verarbeitet werden? Wie rasch kann auf Kundenverhalten passend reagiert werden?

Werden all jene Faktoren miteinander kombiniert und entsprechend umgesetzt, können die Potentiale einer hyperpersonalisierten Ansprache nahezu vollständig ausgeschöpft werden. Rechtliche Rahmenbedingungen, die z. B. die Datenerhebung und -verarbeitung betreffen, dürfen dabei jedoch keinesfalls außer Acht gelassen werden. In der Regel bedarf es der Zustimmung zur Datennutzung, sodass der Mehrwert für den Kunden transparent kommuniziert und etwaige Datenschutzbedenken berücksichtigt werden sollten. Zukünftig wird es wichtig sein, sowohl die Unternehmens- als auch die Kundenseite noch weiter von der Bedeutsamkeit einer hyperpersonalisierten Kommunikation zu überzeugen und Bedenken zu mindern. Dann werden auch positive Effekte auf das Kundenverhalten messbar gemacht werden können. Die technologischen Voraussetzungen für eine Umsetzung von Hyperpersonalisierung sind bereits vorhanden, sie müssen in Zukunft nur noch viel bewusster und zielgerichteter eingesetzt werden.

Autorin :

Kurz-Vita Nora Kern

Als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Marketing und elektronische Dienstleistungen an der Uni Koblenz beschäftigt sich Nora Kern in ihrer Doktorarbeit mit dem Einsatz von Hyperpersonalisierung im E-Commerce. Zuvor machte sie ihren Master in Informationsmanagement an der Uni Koblenz.

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