Teil 1: Stars vs. Orchestratoren – Was macht gute Führung (auf und neben dem Feld) wirklich aus?
Dennis Schröder führte 2023 die deutsche Basketball-Nationalmannschaft zum WM-Titel und 2025 zum EM-Sieg. Beide Male wurde er zum MVP (Most Valuable Player) gekürt. Luka Dončić hingegen gilt als einer der individuell besten Basketballer seiner Generation. Auch mit seiner Leistung bei der EM landete er absolut verdient – wie Schröder – im All-Star-Team. Also was sind die Basketball-Leadership-Lessons?
Bildquellen: am Ende des Artikels
Dončićs Statistiken sind überragend:
Punkte, Assists, Rebounds – bei der EM erzielte er im Durchschnitt 34,7 Punkte pro Spiel und insgesamt 243 Punkte in sieben Spielen. Und doch blieb er mit Slowenien bisher ohne den ganz großen Titel. Das Viertelfinale der EM 2025 verlor Slowenien gegen Deutschland mit 99:91.
Schröder kam „nur” auf 20,3 Punkte im Schnitt pro Spiel, insgesamt 183 Punkte in neun Spielen – deutlich weniger als Dončić, der sieben Spiele absolvierte. Schröder hatte jedoch eine entscheidende Wirkung für den Gesamterfolg.
Die erste Frage zu Basketball-Leadership-Lessons lautet:
„Reicht individuelle Brillanz? Oder führt ein breit aufgestellter Kader mit viel Teamintelligenz zum nachhaltigen Erfolg?”
Basketball-Leadership-Lessons: Wie könnte man versuchen, beide zu typisieren?
Luka Dončić – der brillante Individualist?
Dončić ist mehr als nur ein Naturtalent. Er übernimmt Verantwortung, nimmt Würfe in entscheidenden Momenten und glänzt mit spektakulären Pässen. Doch oft wirkt sein Spiel wie eine One-Man-Show. Seine Mitspieler stehen in seinem Schatten und die Last verteilt sich kaum.
Im Unternehmenskontext erinnert er mich an einen hochkompetenten Individualisten, der mit Brillanz glänzt, während die Organisation aus verschiedenen Gründen nicht mitziehen kann. Der Erfolg hängt von seiner Leistung ab – und genau das ist Chance und Risiko zugleich. Das kleine Land Slowenien (mit gerade einmal ca. 2,1 Millionen Einwohnern) schaffte es logischerweise (noch) nicht, eine ähnlich homogene Bandbreite an Spielern aufzubieten wie das 40-mal größere Land Deutschland.
Dennis Schröder – der orchestrierende Leader?
Schröder besticht weniger durch reine Statistiken bzw. nackte Zahlen, sondern durch seinen Einfluss.
Er liest das Spiel, motiviert Mitspieler, übernimmt im richtigen Moment Verantwortung und macht dadurch andere stärker. Bei den beiden letzten großen Turnieren hatte Schröder ein Team um sich, in dem Spieler wie Theis, Bonga, Wagner, Lo, Thiemann, Voigtmann oder Obst jederzeit 20 Punkte pro Spiel erzielen konnten.
Er ist der Leader, der Energie und Bälle verteilt und so ein System funktionsfähig macht. Im Berufsleben entspricht er der Führungskraft, die nicht nur selbst hervorragende Leistungen erbringt, sondern auch die Gesamtleistung des Teams orchestriert und die Kollegen in Szene setzt.
Habe ich jetzt nicht etwa etwas vergessen? Noch ein wichtiger Punkt ist:
Die Führungsrolle an der Seitenlinie – die Rolle von Trainern und Coaches – Basketball-Leadership-Lessons
Álex Mumbrú, Cheftrainer der deutschen Nationalmannschaft, hatte keinen guten Start in die WM. Er musste sich gleich nach seiner Ankunft in Tampere (Finnland) einer schweren Operation unterziehen und kehrte erst nach einer Woche an die Seitenlinie zurück. Doch nach diesem einen Spiel war klar: Er ist noch nicht fit. Also übergab er sofort das Zepter wieder an seinen Co-Trainer Alan Ibrahimagic.
Damit sind wir bei der zweiten wichtigen Leadership-Frage:
Was passiert in Ihrem Unternehmen, wenn der CEO ausfällt? Ist hier eine ebenso geschmeidige Übergabe möglich wie beim DBB? Agiert die Führungsmannschaft auch als Team? Steht die Mannschaft weiter hinter dem CEO, wie das DBB-Team hinter Alex Mumbru?
Fokussieren wir uns wieder auf das „Spiel” bzw. die beiden Protagonisten.
Keiner der beiden Top-Spieler agiert isoliert bzw. in einem Vakuum. Hinter jedem Spieler bzw. dem gesamten Team stehen Trainer und Coaches. Beim deutschen Team sind es fünf Trainer bzw. insgesamt 13 Personen in der Delegation (inklusive Präsident, Physiotherapeut etc.) bei zwölf Spielern, die auf dem Feld stehen.
Das Trainerteam definiert die Spielsysteme, Rollen und Spielphilosophien. Es entscheidet, ob Stars eingebunden oder „freigelassen“ werden. Die Coaches ziehen im Hintergrund die Fäden: Sie geben Vertrauen, spiegeln, stärken Rollen, korrigieren und machen aus Talenten echte Leader. Und sie formen aus der Mannschaft ein eingeschworenes Team – zusammen mit Leuten wie Dennis Schröder.
Exkurs Nr. 2: In diesem Artikel unterscheide ich bewusst nicht zwischen Trainer und Coach. Denn oft vermischen sich diese beiden Rollen in einer Person.
Daher auch meine Frage an die Leserschaft: Wie schätzt du diese Rollen bzw. ihre Vermischung in einer Person ein? Ich freue mich über anregende Kommentare und Erfahrungsberichte.
Ein weiterer Blick auf eine in Deutschland sehr erfolgreiche Sportart.
Bernhard Peters, der Weltmeister-Trainer der Hockey-Nationalmannschaft, beschrieb den Weg zum Titel sinngemäß wie folgt: Die Mannschaft gab sich ein Motto. Dem folgten wir alle. Meine Aufgabe war es, die Mannschaft insgesamt so zu befähigen bzw. mich mit den zwei bis drei Führungsspielern so abzustimmen, dass auf dem Feld das umgesetzt wird, was vorher abgesprochen wurde. Sein eigener Einfluss während des Spiels war eher reduziert. Da käme es auf die Führungsspieler an.
Beim Basketball ist das sicher etwas anders.
Anstatt wie beim Feldhockey elf Spieler stehen beim Basketball nur fünf Spieler gleichzeitig auf dem deutlich kleineren Feld. Die Möglichkeiten von Auszeiten und Coaching-Phasen sowie die halb so große Mannschaft bieten andere Einwirkungsmöglichkeiten. Wer Auszeiten – sowohl beim Handball als auch beim Basketball – beobachtet, stellt fest: Es kommen Ansagen vom Trainer, aber auch die Führungsspieler bekommen Raum, um Ansagen zu machen, z. B. was als Nächstes passiert oder gelassen werden sollte oder welcher der nächste Spielzug ist.

Bildquelle: siehe unten DBB
Gordon Herbert erkannte das Potenzial von Schröder.
Dennis Schröder profitierte davon, dass der Ex-Bundestrainer Gordon Herbert ihn bewusst in die Rolle des Leaders, als Primus inter Pares, einsetzte. Und das, obwohl Schröder auch schon mal ein Rotzlöffel und Pokerspieler war. In der Zeit ab 2013 hat er sich durchaus auch schon mal verzockt (Quelle).
Dončić dagegen muss/musste in Slowenien vielleicht zu viel allein tragen.
Basketball-Leadership-Lessons: “Stars gewinnen Spiele, Coaches und Systeme gewinnen Meisterschaften.”
Apropos Stars: Ein kleiner Exkurs, um wie viel Geld geht es bei so einem Turnier?
Auch beim Basketball geht es inzwischen um viel Geld. Doch um viel weniger als beim Fußball. Um wie viel Geld geht es? In Deutschland werden pro Spieler vom Verband DBB 30.000 Euro ausgeschüttet. Zum Vergleich: Bei der Fußball-WM der Herren standen bei einem EM-Sieg 400.000 Euro pro Spieler im Raum, bei den Frauen wären es immer noch 120.000 Euro pro Spielerin gewesen. Nicht berücksichtigt sind zusätzliche Ausschüttungen des jeweiligen Ausrichterverbands.
Es geht um vergleichsweise wenig Geld. Aber das soll es auch schon gewesen sein.
Basketball-Leadership-Lessons: Welche Lehren können Personen des C-Levels daraus ziehen?
Individuelle Brillanz ist wertvoll, reicht aber nicht für nachhaltigen Erfolg aus.
- Spielintelligenz, also die Fähigkeit, in Echtzeit kluge Entscheidungen zu treffen, ist wichtiger als reine Statistik.
- Talente entfalten sich nur in starken Systemen und klaren Kulturen.
- Auszeiten und Auswechslungen zur richtigen Zeit sind Schutz, Feedback, Ruhephasen und Motivation – also Gold wert.
- Verantwortung zu teilen, macht Organisationen resilient.
- Coaching ist der entscheidende Erfolgshebel.
- Das Team muss beim Ausfall einer wichtigen Führungskraft stark genug sein, um diesen Ausfall auszugleichen.
Fazit für Basketball-Leadership-Lessons Teil 1:
Nachhaltiger Erfolg entsteht nicht allein durch Stars, sondern durch Teams, Systeme und Führung, die individuelle Brillanz und orchestrierte Spielintelligenz vereinen.
Teil 2 Basketball-Leadership-Lessons: Coaches und Trainer sind die unsichtbare Kraft hinter der Führung.
Trainer sind die Architekten der Strategie. Sie legen Systeme fest, befähigen, geben und verlangen Disziplin, definieren Rollen und entscheiden darüber, wie Stars eingebunden werden.
Coaches sind Feedbackgeber, Motivatoren und Multiplikatoren. Sie schenken Vertrauen, stärken Rollen und entwickeln Talente.
Am Beispiel Schröder zeigt sich: Durch die bewusste Entscheidung des Trainers Gordon Herbert, Schröder die Leaderrolle zu geben, konnte dieser hineinwachsen. Als Mensch und als Spieler. Bei Dončić besteht ein anderes Risiko: Slowenien verlässt sich zu sehr auf seinen Superstar und Ausnahmekönner. Die Mitspieler bleiben – oder sogar das ganze Team – eventuell unter ihren Möglichkeiten.
Basketball-Leadership-Lessons: „Stars gewinnen Spiele – Coaches und Systeme gewinnen Meisterschaften.“
Was sind weitere Learnings für das Team aus dem C-Level:
- Leadership ist keine Einzelleistung, sondern das Produkt von Führungsteams, Mannschaften, Führungsspielern, Spielsystemen und laufender Kommunikation bzw. regelmäßigem Coaching.
- Ohne individuelles Coaching, das auf das gemeinsame Ziel hin ausgerichtet ist, bleibt selbst das größte Talent unter Wert.
- Unternehmen brauchen sowohl interne als auch externe Coaches, um Potenziale zu heben.
- Das Trainer- bzw. Führungsteam besteht aus mehreren Personen (inklusive Video- und Spielerbeobachtern).
- Ohne regelmäßiges Training entsteht keine Routine, kein blindes Verständnis der Laufwege und es gibt keine Chance für Überraschungsmomente.
- „Regelmäßiges Training“ meint sowohl die Einzelperson als auch das Team. Das bedeutet: Fitness, Taktik, Koordination und mentales Training. Alle Spieler müssen auf einem hohen homogenen Level sein. Das bedeutet auch, dass Spiel- und Ablaufsituationen wie bei der 4-mal-100-Meter-Staffel immer und immer wieder trainiert, antizipiert und Umfeldbeobachtungen gemacht werden müssen. Zudem müssen die Spielsituationen je nach gegnerischem Verhalten blitzschnell angepasst werden.
Fazit für den 2. Teil der Basketball-Leadership-Lessons
Regelmäßiges Training ist im Unternehmen genauso wichtig wie im Sport. Es umfasst sowohl individuelles als auch Team-Training und beinhaltet fachliche Fähigkeiten, IT-Know-how, die Nutzung von Software-Systemen, das Beherrschen von Prozessen sowie sichere Abläufe und Übergaben. Das zeigt sich vor allem, wenn Unvorhergesehenes passiert. DSGVO-Anfragen, neues Konkurrenzverhalten oder geänderte Rahmenbedingungen (Zölle, Gesetze usw.).
Gezieltes Coaching und strategische Systemgestaltung sind die verborgenen Kräfte hinter Leadership. Sie verwandeln individuelle Brillanz in nachhaltigen Erfolg.
“Am System” oder “im System” arbeiten
Trainer arbeiten „am“ System (der Mannschaft), der Kapitän agiert „im“ System (innerhalb der Mannschaft). Beides gleichzeitig – wie es die sogenannten Spielertrainer versuchen – funktioniert auf hohem Niveau nicht.
Basketball-Leadership-Lessons: Das wirft weitere Leadership- und Reflexionsfragen auf:
- Wer bin ich? Wenn ja, wie viele? Bin ich Trainer, Assistenztrainer, Schröder, Dončić oder eine Kombination aus mehreren?
- Und wenn ich mir über meine Rolle im Klaren bin: Sind alle anderen Rollen in meinem Umfeld entsprechend gut besetzt? Sind wir ein Team oder eine Ansammlung von Individualisten? „Spielen wir“ gut zusammen oder spüren die Mitarbeiter, dass hier kein Team auf dem Feld steht?
Zum Schluss noch sieben Leadership-Learnings für Business & C-Level
- Regelmäßiges Trainings
- sowohl der Person als auch des Teams sind erfolgskritisch
- Individuelle Brillanz ≠ kollektiver Erfolg
- Stars allein tragen selten. Erfolg braucht Enabler.
- Spielintelligenz schlägt reine Strategie
- Entscheidungen in Echtzeit sind erfolgskritisch.
- Das richtige Umfeld entscheidet
- Talente entfalten sich nur in starken Systemen und klaren Kulturen.
- Leadership heißt Verantwortung teilen
- Im Trainerteam, aber auch im Team: Schröder bindet ein, Dončić trägt allein – ersteres ist nachhaltiger.
- Trainer und Coaches sind Katalysatoren des Erfolgs
- Ohne kluge Trainer und Coaches bleiben selbst Stars unter Wert.
- Homogenität ist Trumpf – sowohl im Führungsteam als auch sonst
- Es braucht eine fein abgestimmte Mischung aus Generalisten und Spezialisten
Bildquellen:
Luka Doncic: „Luka Doncic and Anderson Varejao“ von Erik Drost, CC BY 2.0
Dennis Schröder: https://www.basketball-bund.de/eurobasket-unsere-gold-helden/
Jubelbild: https://www.basketball-bund.de/dbb-herren-auf-platz-zwei-der-weltrangliste/