Ist Customer Experience und Selbstbedienung ein Widerspruch? Selbstbedienung gilt in Unternehmen oft als innovative Kostensparmaßnahme. „Dann kann der Kunde dies und das machen. Er kann selbst entscheiden, was er will. Er kann sich beraten lassen, wenn er muss.“
Selbstbedienung soll den Einkauf oder das Gastro-Erlebnis schneller, bequemer und moderner machen. Doch wer heute an einem Terminal, insbesondere an einem Fahrkartenautomaten, auf einer Webseite oder an einer dieser Kassen steht, merkt schnell: Der Kunde wird durch die Selbstbedienung nicht glücklicher, denn er muss selbst arbeiten. Der Begriff „Self-Service” verschleiert dies nur und zeigt, dass die Lust fehlt, sich mit dem Kunden zu beschäftigen.
Eines ist sicher: Und User Experience bzw. Customer Experience ist das nicht. Auf keinen Fall
Es geht um E wie Effizienz und nicht um Experience
Der Kunde scannt, wiegt, zahlt, packt ein, bucht Tickets, ändert Reservierungen, sucht in den FAQs nach Lösungen, chattet und wartet auf Antworten auf seine „Service-Tickets“. Ohne Lächeln, ohne Gespräch, ohne Service. Die digitale Stimme bzw. Landeseite sagt: Danke für Ihren Besuch, Kauf, ….
Customer Experience und Selbstbedienung ein Widerspruch? Würden Sie diesen Self-Service weiterempfehlen?
Ein reales Beispiel: Wenn der Kunde nach der Nutzung der Selbstbedienungskasse den Laden verlässt, wird er am Ausgang gebeten, den Bon und die Tasche zu zeigen, als müsse er seine eigene Ehrlichkeit beweisen.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Customer Experience: Ein scheiß Gefühl. Doch wer muss wem vertrauen?
Was einst als „Customer Experience“ gefeiert wurde, wird zur Ironie.
Der Kunde wird zum unbezahlten Kassierer, zum Glied in einem rationalisierten Prozess, der nichts mehr mit Erlebnis, Vertrauen oder Bindung zu tun hat.
Selbstbedienung spart Löhne, aber sie kostet Beziehungen. Sie ersetzt persönliche Begegnung durch Bildschirme, Chats und Agenten sowie Dialog durch Pieptöne, Avatare und eisige Stimmen.

Was soll die positive Konsequenz der Idee „Selbstbedienung“ sein?
Wenn der Kunde alles selbst macht, bleibt von der „Experience“, von der viel zitierten Empathie, nicht viel übrig – außer der Erkenntnis, dass Effizienz keine Beziehung ersetzen kann. Oder anders formuliert: Solange der Kunde das tut, was das Unternehmen will, ist „alles gut“. Doch wehe …
Und immer wieder stellt sich die Frage: Was ist mein Vorteil als Kunde? Customer Experience versus Selbstbedienung – ein Widerspruch in sich? Absolut.
Eine Studie aus 2017 sagt: 60 % aller Online-Suchen münden in einem verzweifelten Anruf
Ich erinnere mich noch an eine US-Studie aus dem Jahr 2017: 60 % aller B2C-Online-Suchen (ob Self-Service, Bestellung oder Kauf) münden in einem Anruf. Das heißt, der Kunde sucht und findet keine Lösung und ruft dann an. Und dann? Er landet in der Warteschleife oder auf dem Anrufbeantworter.
Danke für Ihren Anruf! Waren Sie zufrieden mit unserem Service? Würden Sie diesen Service an Ihre Freunde weiterempfehlen? Ich sage nur: „Danke für das ‚nette‘ Gespräch.“
MarTech- oder Callcenter-Software ist wichtig, aber nicht die alleinige Lösung für eine positive Customer Experience.
Customer Experience und Selbstbedienung ein Widerspruch? Der Versuch eines Fazits
Die große Gefahr beim Einsatz all dieser Tools ist, dass sich Unternehmen nur nach innen optimieren und dabei die Vorteile und Bedürfnisse ihrer Kunden aus den Augen verlieren.
Manche verschanzen sich förmlich hinter Tools, Portalen, Webseiten und Hotline-Warteschleifen. Das gilt für Buchungen (Hotels, Airlines) ebenso wie für den Kauf von Eintrittskarten (Reisen, Konzerte) oder die Selbstbedienung (Restaurants oder Fast-Food-Ketten).
Und immer wieder stellt sich die Frage: Was habe ich als Kunde davon?
Geht es schneller? Habe ich einen Preisvorteil? Bekomme ich eine Zugabe oder mehr Punkte auf dem Bonuskonto gutgeschrieben? Wenn Kunden den Vorteil nicht sofort spüren, werden sie sich früher oder später nach Alternativen umsehen.
PS: Nicht jeder Kunde will Self-Service machen, selbst, wenn es dem Unternehmen sinnvoll erscheint
Bestimmte Kunden wollen (zumindest in bestimmten Situationen) das (hier Selbstbedienung) auch gar nicht. Ihnen ist das persönliche Gespräch am Telefon oder von Angesicht zu Angesicht immer noch lieber. Gerät der Self-Service-Prozess nämlich kurz nach dem Start ins Stocken, entsteht Frust und der Vorgang wird abgebrochen.
Wie heißt es doch so schön: Das Leben ist ein Geben und Nehmen.
Oder anders formuliert:
Wenn ich einen Service für dich (das Unternehmen) übernehmen soll, den du vorher für mich gemacht hast, dann erkläre mir bitte den Vorteil, den ich davon habe.
Und lasse mich an “Deinem Vorteil” auch teilhaben, in welcher Form auch immer. Dann ist das eine faire Sache. Preisvorteil, Zugabe, Bonuspunkte, …